Freitag, 24. Februar 2017

Musandam - Norwegen des Mittleren Ostens (20.12.-27.12.2016)

Mein Weg in den Oman führt mich von Dubai immer gen Norden. Ich hatte mir eigentlich vorgestellt auf einer kleinen Straße immer an der Küste entlang zu fahren, aber daraus wird nichts. Es gibt entweder den Wüstenhighway E11, der mir mit 12 Spuren nun wirklich zu sehr befahren ist oder den Wüstenhighway noch weiter landeinwärts E311, der "nur" 6 Spuren hat. Zu dem muss ich aber erst mal hinkommen.

Es dauert ca. 45 km, bis ich endlich einmal das Gefühl habe, aus der Stadt raus zu sein. Rote Dünen rechts und links der Straße, die immer höher werden. Grüne Akazien dazwischen und immer wieder Kamele. Hier ist es jetzt nicht mehr so geschleckt und der Müll liegt trotz Verbotsschilder rechts und links der Straße. Es ist zum Glück nicht mehr so heiß und außerdem fahre ich nach Norden, so dass mir die Sonne nur auf den Rücken brennt.

Ich bin mich gerade total am ärgern über die Fahrweise der VAEler. Jeder pocht hier auf sein Recht und ich mit meinem Rad werde überhaupt nicht beachtet, sondern höchstens noch wütend angehupt. Dass ich den Arm rausstrecke, weil ich abbiegen will, interessiert hier keinen. Zweimal werde ich fast über den Haufen gefahren und einmal wäre beinahe einer dem anderen hintendrauf gebrettert, weil der Vordermann wegen mir eine Vollbremsung machen musste. Was sollte ich aber anders machen, als die Hand rausstrecken, einen Blinker hab ich leider nicht.

Hier passt nicht wie im Iran jeder auf jeden auf. Es geht dort zwar super chaotisch zu, aber es macht dort Spaß durch die Stadt und in die Kreisel zu fahren. Hier überhaupt nicht! Nein, hier heißt es höchstens "schaut mal was ich für nen protzigen Hummer, Mercedes, Lexus, BMW habe. Ich fahr jetzt hier rein und Du blöde Radfahrerin kannst schauen wo Du bleibst". Ich bin stinkesauer und würde am liebsten jedem den Finger zeigen. Rücksichtslos dass es schon ganz aus ist. Erst weiche ich mit meiner Route auf ein Villenviertel aus, aber das wandelt sich zu einem Industriegebiet. Hier fahren die LKWs super knapp an mir vorbei - auch kein Spaß! Im Iran haben die immer einen weiten Bogen um mich gemacht.

Irgendwann hält ein Auto an und ein junger Mann mit zwei Kindern hintendrin fragt mich in bestem englisch: "Where are you from? What´s your story?" Also erzähle ich ihm in Kurzform von meiner Tour und er ist total begeistert. So eine Radtour wollte er auch schon immer mal machen. Er ist aus Ras al-Khaimah und ich frage ihn, ob man da irgendwo campen kann. Er meint, hier gleich auf den nächsten Kilometern würde ein Wüstencamp kommen, aber es ist erst Mittag und das ist mir eigentlich zu früh. Er verabschiedet sich und ich mache erst mal an einer Tankstelle Rast. Kurze Zeit später hält Mohammad erneut vor mir. Ob ich denn nicht, wenn ich in Ras al-Khaimah bin, zu ihm kommen will. Seine Mutter würde gerne für mich kochen. Er gibt mir seine Nummer und sagt, ich soll ihn anrufen, wenn ich in der Stadt angekommen bin.

Nachdem er seine Mutter erwähnt hat, rufe ich ihn an und er kommt und holt mich an einem Kreisverkehr ab, mein Rad wird in den Van geladen und los geht es zu seiner Familie. Es sind nur seine zwei kleinen Brüder Yussuf und Yunas, seine Mutter und er zuhause. Sein Vater ist in Saudi-Arabien auf Dienstreise, der Bruder ist bei einem Freund und die Schwester studiert in Sharjah (bei Dubai). Er selbst studiert Luftfahrttechnik in Wales. Ich fühle mich total gut aufgehoben und werde mal wieder von vorn bis hinten bedient, bekocht, darf duschen und bekomme das Zimmer der Tochter. Als ich ins Bett gehen will, kommt nochmal Mohammad's Mutter mit einem Glas Wasser rein und meint: "Don´t be afraid, you´re safe here". Süß oder?

Am nächsten Morgen wartet bereits ein leckeres Frühstück bestehend aus Spiegelei, Fladenbrot, gebackenem und mit Käse gefülltem Fladenbrot und Tee auf mich. Allzuviel kann ich nicht essen, also wird mir alles als Wegzehrung eingepackt. Sogar eine riesen Packung der leckeren Datteln, die es gestern gab, haben sie für mich besorgt. So verabschiede ich mich gut versorgt von den beiden und radle weiter Richtung Oman.

Die Strecke ist bis zur Grenze weiterhin voll mit Trucks, dann wird es endlich besser. Der Grenzübertritt ist wirklich super einfach, erst die Ausreisegebühr auf der VAE-Seite bezahlen, dann die Einreisegebühr für den Oman bezahlen und schon bin ich 1 Stunde später im Oman. Leider habe ich wieder nur 30 Tage Visum bekommen, aber ich kann das sicherlich in Muscat verlängern.

Jetzt macht das Fahren endlich wieder Spaß. Es sind lang nicht soviele Autos unterwegs, die Omanis fahren auch viel rücksichtsvoller. Hier werde ich auch wieder angehupt, nur ist das hier als Begrüßung gemeint. Ein paar zeigen mir hier auch "Daumen hoch". Die Straße geht direkt an der Küste entlang, an der ein schöner, einsamer Strand nach dem anderen liegt. Das Wasser ist wunderbar klar.

Gegen Nachmittag komme ich in Khasab, dem nördlichsten mit dem Auto erreichbaren Ort, an. Ich suche mir ein Hotel, die Preise sind schon mal ganz anders als in Iran. Für ein normales Zimmer zahle ich fast 90€ die Nacht. Da müssen billigerer Unterkünfte her, das ist einfach den Preis nicht wert.

Erst seit 1992 kann man Musandam als Tourist bereisen, da es vorher militärisches Sperrgebiet war. Die Küste ist ein Gewirr aus zerfransten, fjordähnlichen Buchten und Lagunen und hat eine Länge von insgesamt 650 km. Nördlich von Khasab kommt man nur noch mit dem Boot. Es gibt dort einige Siedlungen mit je ca. 100 Einwohnern, die komplett von der Aussenwelt abgeschieden sind. Es gibt dort nicht mal eine Schule, die Kinder werden mit dem Boot am Samstag nach Khasab gebracht, wo sie bis Mittwoch bleiben. Es gibt nur einen größeren und damit den nördlichsten Ort des Oman, nämlich Kumzar. Dieser Ort hat 3000 Einwohner und ist ebenfalls nur per Boot erreichbar. Die Einwohner sprechen eine eigene Sprache, ein Mix aus arabisch und Farsi.

Im Landesinneren von Musandam findet man den höchsten Berg, der 2087 Meter hohe Jebel Harim. Leider kann er nicht bestiegen werden, da auf seinem Gipfel das Militär seinen Aussichtspunkt hat.

Die Menschen hier leben vom Fischfang oder von den kleinen Oasen, die sie dem steinigen Boden abgerungen haben. Diese Oasen sind entweder Hochebenen oder mühsam per Hand planierte Terrassen.

Ich bleibe eine Nacht in Khasab und mache mich dann beladen mit 12 Litern Wasser und genügend Essen auf in die Berge. Zuerst will ich zu einem Aussichtspunkt hoch über dem Khor (Fjord) Najd. Die Piste ist super steil und ich muss die meiste Zeit schieben. Aber der Blick von oben über das Meer ist einfach unglaublich und so hat sich die Plackerei letztendlich wirklich gelohnt.

Allerdings spare ich mir den Weg nach unten auf die anderen Seite. Es gibt dort kein Weiterkommen und ich hätte alles wieder zurück müssen. Hier oben ist sicherlich die beste Sicht, was soll weiter unten noch besser sein?

Zum Übernachten fahre ich in einen Akazienwald, der bei den Einheimischen für Camping und Picknick bekannt ist. Zunächst bin ich ganz alleine dort. Dann kommt noch ein Pärchen aus Oman dazu.

Mitten in der Nacht dann laute Musik, Lagerfeuer und 4 schreiende und party-machende Omanis, die ihr Lager direkt zwischen meinem und dem Zelt der beiden anderen aufschlagen. Unglaublich, der Platz ist riesengroß, aber genau hier müssen sie ihre Party steigen lassen. Ich füge mich in mein Schicksal, dass es mit der Nachtruhe zu Ende ist, aber bei den anderen beiden ist das wohl nicht so. Plötzlich schreit jemand "Silence, please!" Ich bin kurz davor, demjenigen zu applaudieren. Leiser wird es dadurch trotzdem nicht.

Am nächsten Morgen sind die Omanis verschwunden und Marisol und Lucien, das Pärchen aus Muscat laden mich zum Frühstück ein. Sie ist aus Venezuela, arbeitet als Spanischlehrerin, er ist aus Holland und arbeitet für Shell. Dabei ist er zuständig für die Sicherheit und den Umweltschutz beim Ölbohren.

Ich treffe die beiden immer wieder auf meiner Tour durch die Berge, deswegen erwähne ich sie extra. Sie überholen mich später und geben mir ihre Nummer, wenn ich in Muscat bin, soll ich doch vorbeikommen, damit ich wenigstens eine ordentliche Dusche nehmen kann.

Erst führt mein Weg in ein Wadi (ausgetrockneter Flusslauf) und schließlich muss es ja mal hoch gehen. Aber gleich so steil!!!! Steil ist überhaupt kein Ausdruck für diese Piste. Nach ein paar Höhenmetern gebe ich auf, da ist nur noch Schieben möglich und selbst das ist an manchen Stellen fast nicht zu schaffen.

Durch den losen Untergrund rutsche ich auch immer wieder weg, die Bikeschuhe haben nicht gerade den besten Grip. Die Landschaft um mich herum ist allerdings Wahnsinn.

Ich brauche den ganzen Tag, um mich und mein Rad auf 1500 Meter über eine Strecke von 13 Kilometern, hoch zu befördern. Zwischendrin bekomme ich von lieben Menschen immer wieder Wasser geschenkt. Mir hätte das Wasser sonst nie und nimmer für die 3 Tage gereicht. Eine Schinderei ist das, unglaublich. Ich zähle die Schritte bis ich wieder Pause machen kann. 10, 20, 30, 40 manchmal schaffe ich 50, wenn die Steigung nicht ganz so stark ist.

Als ich Pause mache, kommen doch tatsächlich Marisol und Lucien wieder an mir vorbei. Sie wollen auch die Tour oben in den Bergen machen, die so toll beschrieben ist und auf einem Grat entlang führt. Ich mache ein Foto aus der Seite ihres Handbuchs "Off-road Oman", denn da sind mehr Pisten eingezeichnet als in meiner Locus Map. Außerdem sind da auch die Campingspots drin, die besonders schön sind. Generell kann man aber campen wo man will.

Es ist schon 3 Uhr und es wird nicht annähernd flacher oder zumindest mal so, dass man wieder aufs Rad steigen kann. Ein Pickup-Truck mit 8 Pakistanis hält und sie fragen mich, ob sie mich mitnehmen können. Ja, bitte - ich kann nämlich nicht mehr. Und so passe ich zusammen mit meinem Rad auch noch auf die Ladefläche. Die 8 Jungs hat echt der Himmel geschickt, ich hätte das niemals mehr im Hellen bis auf die Hochebene geschafft. Dort laden sie mein Rad wieder aus.

Trotzdem muss ich von hier nochmal ca. 5 km bergauf schieben bis dieser Campingspot kommt. Ich bin wirklich am Ende meiner Kräfte und beschließe, diese Tour auf den Grat morgen nicht mehr zu machen. Diese Steigungen kann man mit dem Rad inkl. Gepäck einfach nicht schaffen. Selbst wenn man die Kraft hätte, die Pedale noch zu treten, würden die Reifen ständig durchdrehen, weil auf dem Untergrund dann kein Grip mehr ist. In den Kehren liegt loser, total feiner Sand, eigentlich schon Staub und ich habe schon eine dicke Schicht davon auf meiner Haut. Viele der Vorbeifahrenden werden nämlich nicht mal langsamer, sondern stauben mich so richtig von oben bis unten ein.

Ich bin total froh, als endlich ein kleines Plateau mit Akazienbäumen in Sicht kommt - der Campingplatz. Ich bin gerade dabei mir den schönsten Platz auszusuchen, als Marisol und Lucien auf den Platz fahren. Sie können es kaum glauben, dass ich es geschafft habe. Die Sonne ist schon weg und es wird ziemlich schnell richtig kalt. Noch dazu weht ein eisiger Wind. So schlagen wir beide voneinander getrennt unser Nachtlager auf. Ich glaube, sie wollen ein bisschen ihre Ruhe haben und ich habe meinen Platz eh schon ausgesucht:

Heute Nacht muss das Überzelt auch drüber, das hält einiges an Wind und Kälte ab und da auch keine feiernden Omanis auftauchen, wird es eine ruhige Nacht.

Am nächsten Morgen werde ich wieder zum Frühstück eingeladen. Es ist Weihnachten, im wahrsten Sinne des Wortes und dem Datum nach auch. Marisol hatte gestern Geburtstag, aber da es so ungemütlich war, wird der Kuchen erst heute verzehrt. Außerdem gibt es echtes VOLLKORNBROT mit Edamer Käse. Wahnsinn, wie lecker ist das denn! Dazu Nesquik und Eier. Somit ist das Weihnachtsfrühstück einfach rundum perfekt.

Ich habe mir in der Nacht überlegt, dass ich hier mein Basislager aufschlage und ohne Gepäck die Tour mache. Also packe ich alles zusammen und verstaue es in einer kleinen Steinruine. Marisol und Lucien geben mir noch ihr ganzes Wasser, insgesamt 4,5 Liter. Super, so kann ich mir heute Abend ja doch noch was schönes kochen.

Bei strahlend blauem Himmel und 27 Grad geht es los. Das ist einfach so genial, ohne Gepäck zu fahren. Ich schaffe bis auf eine Ausnahme jeden Berg und so macht das Biken einfach total Spaß. Wunderbare Ausblicke in die beiden Wadis auf die Gratstraße und die Straße, die in den Fels gehauen ist, bieten sich. Wieder mal bin ich der Meinung, dass sich die Mordsschinderei gestern auf jeden Fall gelohnt hat. Nochmal würde ich es allerdings nicht mehr machen wollen.

Ich fahre die Gratstraße allerdings nicht bis zum Ende, sondern nur ungefähr die Hälfte. Warum? Sie senkt sich immer mehr ab, bis sie dann ganz steil nochmal 500 Höhenmeter in das Wadi runtergeht. Da ich das alles wieder zurück muss, bleibe ich lieber auf einer bestimmten Höhe und genieße die Sicht. Noch dazu ist hier kein Weiterkommen, denn als Tourist kann man den Grenzposten zu den VAE in den Bergen nicht überqueren, da dort die Visaabwicklung nicht gemacht werden kann. Für mich gibt es also zwei Möglichkeiten, von Khasab zurück nach Ras al-Khaimah und dann südlich durch die VAE in den Oman oder aber mit der Fähre von Khasab nach Shinas, ca. 30 km hinter der VAE-Grenze im Oman. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden.

Als ich wieder auf dem Campingplateau bin, stelle ich mein Zelt wieder auf, sammle Holz fürs Lagerfeuer und bereite mich auf mein Weihnachtsdinner vor. Das sieht wie folgt aus:

Espresso-Café 3 in 1 (also Kaffeepulver, Milchpulver und Zucker in einem Tütchen), Eiweißriegel mit Schokoüberzug und ganzen Nüssen. Als Hauptgang dünne Penne (auch Spaghetti genannt) an Thunfisch aus der Dose, gegart über dem offenen Feuer (da meine Gaskartusche schon fast leer ist) in etwas salzlosem Wasser (mein Salz war fast alle). Zum Nachtisch dann die besten und süß-klebrigsten Datteln, die man sich vorstellen kann.

Meine Gäste zu Weihnachten waren einige Ziegen und 3 Esel.

Zur Feier des Tages gibt es dann noch ein schönes Lagerfeuer, denn es wird ziemlich frostig, wenn die Sonne weg ist. So habe ich also meinen Weihnachtstag und -Abend verbracht. Garniert wurde das ganze dann noch mit einem spektakulären Sternenhimmel über meinem Zelt und absoluter Einsamkeit.

Am nächsten Morgen geht es dann wieder zurück nach Khasab. Ein toller Downhill steht mir bevor, ganze 15 km lang. Allerdings muss ich sehr oft anhalten, da meine Bremsen sonst zu heiß werden. An einer besonders steilen Stelle muss ich sogar bergab schieben. Ich frage mich, wie die Tanklaster, die das Wasser für die Orte bringen, hier hochkommen.

In Khasab suche ich mir diesmal für 2 Nächte ein günstigeres Hotel und am 2. Weihnachtsfeiertag fahre ich mit einer Dhau in die Fjordlandschaft. Ein wunderbarer Tag mit 2 Schnorchelstopps, leckerem Essen, glasklarem unbewegtem Wasser, in dem sich die Felsen spiegeln. Außerdem sehen wir einige Delphine, die in einem Affenzahn neben unserem Boot herschwimmen.

So hat mein Abenteuer im Oman super schön begonnen und ich bin sicher, dass sich das im Hauptland so fortsetzen wird. Die Omanis sind sehr freundliche und unaufdringliche Zeitgenossen, die einen weitgehend in Ruhe lassen. Allerdings bekommt man dadurch auch nicht ganz soviel Kontakt zu ihnen. Mal sehen, ob sich das noch ändern wird. Das Radfahren ist toll, wenn es denn mal nicht ganz so steil ist, da sehr wenige Autos unterwegs sind. Campen darf man wo immer man will, außer es ist ein Privatgrundstück. Ich freue mich also jetzt morgen auf die Fahrt mit der Fähre, die nochmal die gesamte Musandam-Halbinsel umrundet und an der Ostküste der VAE entlang führt. In Shinas habe ich mir schon ein bezahlbares Hotel reserviert, bevor es dann am 28.12. wieder in die Berge geht.

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