Freitag, 18. November 2016

Von Shiraz an den Persischen Golf (27.10.-03.11.)

Mich hat das Gespräch mit dem Mann in Shiraz und seinem quasi Heiratsantrag noch länger beschäftigt. Das Gespräch ging ja natürlich noch weiter, was ich geschrieben habe, war nur ein Ausschnitt. Was ich zuerst recht amüsant fand, war dann nach und nach gar nicht mehr so witzig. Dieser Mann würde einfach irgendeine Frau aus Deutschland heiraten, nur um sein Land verlassen zu können. Denn wie er sagt, ist Iran "cheili bad" - sehr schlecht und "you live like in a prison". Das hat mich dann schon zum Nachdenken gebracht. 

Am nächsten Tag geht es los und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber so ungefähr würde ich mir einen perfekten Radtag vorstellen:
Rückenwind, nur leichte Steigung oder Gefälle, nicht so heiß. Wenn ich Durst habe, würde ich gerne eine Flasche gefrorenes Wasser serviert bekommen und zum Mittagessen an die Strecke Kebab mit jeweils wieder kühlen Getränken. Da es dann sehr steil wird, hätte ich gerne jemanden, der mich bis zur höchsten Stelle fährt und ich danach den Downhill durch eine wunderschöne Schlucht genießen könnte, noch dazu ohne Verkehr. Später möchte ich dann gerne einen Schlafplatz in gigantischer Landschaft unter einem Baum mit Blick auf den Sonnenuntergang, umgeben von Bergen. Später dann noch gratis einen Sternenhimmel, den man in Deutschland so nicht sehen kann. Ihr glaubt, das gibt es nicht? Doch, sowas gibt es, aber nur in Iran!

Die Strecke die nächsten Tage ist wirklich fast autofrei und ein Genuß, auch landschaftlich. Ich finde tolle Plätze zum Übernachten, die Leute sind wieder super freundlich und wenn ich alle Einladungen annehmen würde, wäre ich jetzt noch keine 50 km hinter Shiraz. Allerdings wird es natürlich auch immer heißer, je weiter ich runterkomme und auf 900 Höhenmetern ist es Mittags schon so heiß, dass man eigentlich nur Pause machen kann. Zum Glück wird es nachts aber noch recht kühl.

Am nächsten Tag komme ich durch eine Gegend, in der ich von Kids auf Motorrädern kilometerweit begleitet werde. Ich komme kaum voran, denn aus jedem Dorf werden weitere Jungs angekarrt, die alle ein Foto machen wollen. 

Dann ändern sich die Dörfer, es gibt plötzlich in jedem noch so kleinen Ort eine Moschee mit hochaufragendem Minarett. Das habe ich bisher in Iran überhaupt noch nicht gesehen. Natürlich hat jedes Dorf eine Moschee, aber die konnte man nicht an einem Minarett oder einer Kuppel erkennen. Ich bin in einer von Sunniten besiedelten Gegend. Hier grüßt man mit "salam aleikum", die Häuser sind größer und schöner, alles sieht reicher aus. Auch einige wirklich schicke Autos fahren hier, an einem Tag fährt sogar ein BMW M6 an mir vorbei und ich falle vor Schreck fast vom Rad. Hier arbeiten viele Iraner im reichen Dubai. Ich komme durch einen kleinen Ort mit einem riesen Supermarkt, so was habe ich selbst in den Städten erst einmal gesehen. Da halte ich gleich an, um mich mit Nahrungsnachschub zu versorgen. Außerdem spricht hier jeder englisch, das fällt wirklich auf. 

Außerdem sind wohl die Sunniten Frauen gegenüber anders drauf, denn hier hupt und grüßt kaum einer mehr, wenn sie merken, dass ich eine Frau bin. Da ich auf den fast autofreien Straßen keinen Helm mehr aufhabe, sieht man es wohl eher, denn die Tage vorher bin ich desöfteren gefragt worden, ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Was mich zwar wundert, denn welcher Mann würde denn mit dieser Kutte radfahren?
Das finde ich allerdings wiederum sehr angenehm, trotzdem bekomme ich Granatäpfel und Trauben geschenkt. Entweder sie haben es erst im letzten Moment bemerkt, oder es ist ihnen egal, dass ich eine Frau bin. 
Auch viele Menschen haben hier eine sehr dunkle Haut, was vor allem bei den sehr hübschen Frauen mit ihren bunten Kleidern auffällt. Natürlich sind über die schönen Kleider wieder die schwarzen Tschadors geworfen, so dass man nur am Rocksaum etwas hervorblitzen sieht. 
Unterwegs teilweise wieder eine wilde Bergwelt mit Felsaufwerfungen, die wie Haifischzähne aussehen. 

Dann wieder eine der endlosen Ebenen und ich muss einfach wieder mal meinen "Freund" Pierre Loti zitieren, der alles so blumig beschrieben hat:

"Und vor uns am Horizont, aber noch weit entfernt, liegt die Gebirgskette mit ihrer senkrechten Mauer, die die erstickenden Regionen hier unten begrenzt und die den Rand der weiten Hochebene Asiens bildet. Die schreckeneinflößende Felswand Persiens, die sich stets vor uns auftürmte, hat sich jetzt, wo wir ihr näher kommen, um das Doppelte vergrößert. Eine ganze Stunde lang, dringen wir unter großen Anstrengungen in dem Lande der geologischen Schrecken durch das Chaos der wilden, zerklüfteten Steinmassen vor; aber noch gefährlicher zu passieren sind die Wege dort, wo Granitplatten, gleich reihenweise aufgestellten Tischen, zur Hälfte aus dem Boden hervorspringen."

Ich komme auch mal wieder an einer Militäranlage vorbei. Die machen da gerade draußen in der Pampa Schießübungen mit Panzern und ich komme mir vor, als ob ich gerade ein Kriegsgebiet durchqueren würde, denn man hört ständig Schüsse und überall raucht es aus den Einschusskratern. Schnell weg hier! Vorher hält aber noch ein Militärjeep und ich sehe mich schon den ganzen Weg wieder zurückfahren, weil ich hier aus irgendwelchen Gründen nicht radeln darf. Aber der Soldat stellt sich als "I am army of Iran" vor und fragt, ob ich Wasser oder etwas zum Essen brauche. 

3 Tage brauche ich bis Lar, einer alten Handelsstadt, die schon in früheren Zeiten an der Strecke zum persischen Golf lag. Allerdings wurde sie bei einem schweren Erdbeben 1960 fast zerstört, nur der Basar aus dem 16. Jahrhundert und die Freitagsmoschee wurden wieder aufgebaut. In Lar möchte ich einfach nur noch ins Hotel, denn meine Klamotten sind dermaßen dreckig, so wie ich auch. Abends ist beim Zelten meistens nur eine Katzenwäsche drin. Und dafür muss 1/2 Liter Wasser reichen, denn Wasser ist kostbar hier in der Wüste! Überall sieht man hier die Wasserreservoir-Häuschen, in denen das Wasser, das im Frühjahr von den Bergen kommt, aufgefangen wird. Sogar jetzt ist noch Wasser drin, das zum Tränken der Ziegen- und Schafsherden verwendet wird.

Kurz vor Lar grüßt mich ein Taxifahrer, ob ich schon Mittag gegessen habe? Natürlich noch nicht. Er ruft kurzerhand seine Frau an, um ihr zu berichten, dass er eine deutsche Touristin mit Rad im Schlepptau hat und in der nächsten halben Stunde mitbringen wird. Sie ist begeistert und so fährt Wahid im Schneckentempo voraus und ich hinterher. 10 km müssen noch gefahren werden, dann halten wir in einem Neubaugebiet vor einem schönen Reihenhaus. Wahids Frau Parisa öffnet topgestylt mit hochhackigen Schuhen die Tür. Endlich mal eine hedschab-freie Zone. Ich soll mich doch gleich auf die Couch setzen. Aber das geht doch nicht - nicht mit dieser total verdreckten und durchgeschwitzten Hose. Also gut, dann soll ich erst mal duschen, solange ich will und hier sind Handtücher, Duschgel, Shampoo, die Wasserhähne werden mir erklärt, wenn ich will kann ich mich auch zum Duschen auf diesen Plastikstuhl setzen :-) So fertig bin ich dann aber doch noch nicht.

Zum Mittagessen gibt es eiskaltes Wasser, ich bin am Verdursten, dazu Huhn mit Reis und Shirazi Salat. Das Huhn wurde wie folgt gegrillt, ich wusste nicht, dass das geht: Ganzes Huhn zerlegen und in ein Grillgitter klemmen, dann die Gasflamme des Herdes anzünden und über der Flamme das Huhn grillen. Cool, oder? Das funktioniert und schmeckt super lecker. Zum Nachtisch gibt es Eis, alles was eiskalt ist, her zu mir! Außerdem noch Obst und später natürlich Tee.
Eine Fotosession muss noch gemacht werden, ich schaue mir die Hochzeitsfotos der beiden an (sie haben erst vor knapp 2 Jahren geheiratet) und dann verabreden wir uns für morgen Nachmittag, den Basar zusammen anzuschauen. 

Wieder fährt Wahid voraus und bringt mich zum gewünschten Hotel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Lar viele Touristen sind, aber das Hotel ist bis auf eine Suite ausgebucht. Nachdem wir die Suite von 95€ auf 45€ runtergehandelt haben, checke ich dort ein. Bin ziemlich sicher, dass kein Einheimischer diesen Preis zahlt. Dafür habe ich hier ein richtig großes Zimmer mit Doppelbett, Küche, großem Bad, Kühlschrank, Klimaanlage (die man hier wieder braucht) und sogar einem Kleiderschrank mit Bügeln - wunderbar, um dort meine gewaschene Wäsche aufzuhängen. 
Der Basar von Lar ist eine ziemliche Enttäuschung, da habe ich in Kashan und Esfahan besseres gesehen. Manchmal weiß ich nicht so genau, was mein Buch so von sich gibt. Aber ich heuchle natürlich Interesse und knipse ein paar Bilder. 


Danach sitzen wir noch gemütlich draußen im Freien in einem Saftladen (Saftladen im Sinne des Wortes und nicht negativ :-)). Ich trinke meinen geliebten Granatapfelsaft. Ich könnte dieses super Getränk wirklich literweise in mich reinschütten. Auch wenn Granatäpfel bei uns sauteuer sind, ich werde mich in Deutschland mal in Unkosten stürzen und mir so etwas kredenzen. Später lade ich die beiden kurzerhand zum Pizza essen ein. Ich esse Pizza mit Roastbeef. Klingt komisch, schmeckt aber unglaublich lecker! Die Pizzen hier sind nicht wie bei uns flach und knusprig, sondern eher wie die amerikanischen Pizzen dick, fluffig und mit extra Käse, außerdem Paprika und wirklich reichlich Roastbeef belegt. Meine beiden Begleiter essen die kleine Version zusammen, ich die mittlere alleine. Die beiden können es kaum glauben, was ich so in mich reinfuttern kann. 

Am Hotel verabschieden wir uns, es war ein wirklich schöner Abend und wir versprechen uns, auf jeden Fall Kontakt zu halten. Wahids Idee ist, dass wir uns in 1-2 Jahren mal in der Ukraine treffen. Das scheint wohl für die Iraner recht günstig zu sein. Auf jeden Fall spreche ich noch meine Einladung für Deutschland aus, falls es mal klappen sollte. Parisas Onkel lebt in Düsseldorf, besucht haben sie ihn aber noch nie. Wahrscheinlich ist einfach der Flug zu teuer und ein Visum wird man auch nicht so leicht bekommen. 

Was ich immer wieder so traurig finde ist, dass mich viele Iraner, auch Wahid fragen, wie sie es schaffen können, nach Deutschland auszuwandern. Nicht als Flüchtling, sondern ganz legal, um dort arbeiten und sich eine gute Zukunft für ihre Kinder aufbauen zu können. Ich sage dann meistens, dass ich mich mit den Einwanderungsgesetzen überhaupt nicht auskenne, was ja auch stimmt. Wahid zum Beispiel würde auch nach Italien, Österreich, Norwegen, egal, Hauptsache Europa auswandern. In Iran möchte er kein Kind großziehen, das dann überhaupt keine Chancen für eine gute Ausbildung hat oder mit seinem Studium irgendwas anfangen kann. Wahid hat ein Diplom in Maschinenbau und was arbeitet er hier: er ist Taxifahrer, mit seinem Studium findet er keinen Job. 

Wahid hat mir eine Flasche Zitronensaft geschenkt, den verdünne ich heute mit dem Eiswasser, was nochmal eine super Sache in der Hitze ist. Allerdings schmeckt das nur mit wirklich kaltem Wasser, aber ich hole mir heute an jeder möglichen Stelle ab-e yach (Eiswasser). 

Am nächsten Tag will ich mir einen Schlafplatz suchen, als ein Motorradfahrer mit Wasser auf mich zukommt. Ein Freund, der mich eine super steile Passage hat hochfahren sehen, hat ihn angerufen, dass er mir mit Wasser entgegen kommen soll. Super lieb, aber mit der Abbiegung zum eben gesichteten Schlafplatz wird es dadurch nichts. Er meint, er würde mich jetzt nach Bastak begleiten und mir das Hotel zeigen. O.k. Eine Dusche hätte ich auch schon wieder nötig. Und so lande ich statt im Zelt im Hotel in Bastak. Für 22€ ein großes Zimmer mit Kühlschrank, Klimaanlage, Dusche, West-WC und Frühstück, das am nächsten Morgen in der Lobby serviert wird. 

Zum WC muss ich noch eine lustig Geschichte zum Besten geben, die mir gerade einfällt. Irgendwann als ich mal in einem Hotel mit Gemeinschafts-Bad war, hat mir der Manager beim Einchecken gesagt: "and over there is the double-u see". Ich hab erst überhaupt nicht kapiert, was er meint und ihn etwas ratlos angeschaut, bis er mich hingeführt hat. 

In Bastak begebe ich mich dann auf die erfolglose Suche nach einem Restaurant, aber es gibt hier nur Burger- und Pizzabuden. Da habe ich heute eigentlich keine Lust drauf, aber am Schluss bekomme ich in einer heruntergekommenen Bude das beste Shawerma aller Zeiten. Shawerma ist ähnlich wie unser Döner, aber aus Huhn in einen Teigfladen gewickelt mit leckerer Sauce innen und wer will kann sich noch scharfe Sauce drübergießen. Überhaupt werden die Gerichte jetzt, je südlicher ich komme, immer würziger, was ich persönlich sehr gut finde. Im Norden war mir manches zu lasch gewürzt und ich musste öfter mit Salz nachhelfen. 

Am nächsten Morgen komme ich dann auf eine Traumstraße: gefühlt kommt alle halbe Stunde ein Auto. Hier sind die Menschen wahnsinnig freundlich, also wirklich noch freundlicher als vorher, wenn das überhaupt möglich ist - so kommt es mir zumindest vor. Ein Beispiel für so einen Radtag ist der folgende:
Ich werde ca. 25x fotografiert, was entsprechend aufhält, weil ich ständig anhalten und meine Geschichte nach dem Woher und Wohin zum Besten geben muss. Darin bin ich mittlerweile Meister und so denken die meisten Iraner, dass ich perfekt Farsi kann. Wenn die Fragen dann aber differieren, wird es schwierig, denn dann verstehe ich meistens nichts mehr. 

2 Motorradfahrer von einer vorhergehenden Fotosession, fahren mir mit dem Auto hinterher und überreichen mir eine Tüte mit kalten Getränken und einer Packung Kekse, die sie offensichtlich gerade gekauft haben. Außerdem 10.000 Rial (was zwar nur 25 cent sind, aber eine 1,5 l Flasche Wasser ist damit schon gekauft). 2 andere Jungs auf dem Motorrad kaufen auch für mich ein und 10 km weiter entdecken sie mich, wie ich gerade Pause mache und drücken mir eine Tüte mit einer 1,5 l Wasserflasche, 2 kalte Softdrinks und 2 Marsriegel in die Hand. Außerdem hupt und grüßt hier wirklich jeder, der des Weges kommt. Später, als ich mir gerade gefrorenes Wasser gekauft habe und mit 2 Mechanikern plaudere, die mich unbedingt fotografieren wollten, hält ein Auto. Mittlerweile haben sich ca. 7 Leute zur Fotosession eingefunden und der Autofahrer beauftragt einen der Umstehenden in dem Supermarkt für mich ein kaltes Getränk und einen Kuchen zu kaufen. Den verzehre ich noch "on the spot", bevor es weitergeht. An einer besonders steilen Stelle zieht mich ein Pickup-Fahrer ein Stück nach oben, was aber mit dem Gewicht des Rads nicht lange geht, man kommt sich vor, als ob einem gleich der Arm ausgerissen wird. Überhaupt geht das nur, wenn ich mit der rechten Hand die Reling greifen kann. 

Ich weiß, ich habe nun schon soviel über die iranische Gastfreundschaft geschrieben, ich hoffe, dass es euch nicht schon langweilt. Aber selbst ich bin jetzt nach fast 3 Monaten immer wieder überrascht, wie großzügig und herzlich alle sind. Mein Rad sperre ich überhaupt nicht mehr ab. Ich nehme meinen Geldbeutel raus und gehe in den Supermarkt oder ins Hotel. Dass vorne meine Kamera drin ist und im Rucksack am Gepäckträger der Rest meines Bargelds, vergesse ich meistens. Kein Mensch würde hier das Rad anlangen oder irgendwas klauen. In der Stadt ist es vielleicht eine andere Sache, aber in den Dörfern braucht man wirklich keine Angst zu haben. Selbst im Basar in Shiraz ist mir mal ein Bündel Geld aus der Kuttentasche gefallen und sofort haben mich 3 Leute darauf hingewiesen. Aus der Kuttentasche deshalb, weil ich keine Lust habe, jedes Mal, wenn ich eine Kleinigkeit kaufe, immer meinen Rucksack abzunehmen und meinen Geldbeutel rauszukramen. Meine beiden umgenähten Sport-BHs mit dem Geldversteck habe ich bisher genau 1x benutzt und das war ganz am Anfang. So sicher wie hier, fühle ich mich nicht mal in Deutschland. 

An einem Tag komme ich an einem Stausee (mit Wasser!!!) vorbei, alle Jungs sind am Baden und ich verfluche mal wieder die islamische Kleiderordnung. Bin kurz am Überlegen, einfach in voller Montur reinzuspringen. Aber wenn ich dann weiterradle, gibt das bestimmt üble Scheuerstellen am Hintern. Also begnüge ich mich damit, an einem Wasserkanal, zumindest bis zu den Knien meine Beine reinzuhängen und mir Wasser über den Kopf zu schütten. 
Durst ist überhaupt immer vorhanden, selbst wenn man sich wie eine Verdurstende in einem Zug einen Liter reinschüttet, 2 Minuten später hat man das Gefühl, das wäre schon Stunden her. Der Fahrtwind trocknet einem den Mund sofort wieder aus und man ist nur noch am Löschen. 
So sind die 4 Tage von Lar an den persischen Golf einfach phantastisch, sowohl von den Menschen als auch von der Landschaft. Und die Straße - ein Traum! 

Was ab ca. 500 Höhenmetern absolut nervt, sind die vielen Fliegen. Bei normaler Fahrt kein Problem, da können sie sich nicht auf einen drauf setzen, aber bei Bergauffahrt ist es der reinste Horror, weil sie sich natürlich immer da hinsetzen, wo man besonders schwitzt und ich aber auch nicht dauernd vor meiner Nase mit den Händen rumwedeln kann. Deswegen hat sich für mich die Frage nach Gegen- oder Rückenwind schon erledigt. Ich bevorzuge definitiv Gegenwind, weil dann auch bei steiler Strecke keine Fliege an einen rankommt. So wird es auch nichts mit langen Mittagspausen, weil es einfach zu ätzend ist, sich ständig der Fliegen zu erwehren, die immer und überall sitzen, ins Gesicht fliegen, sich aufs Essen setzen etc. Meistens nur schnell was futtern und dann weiter, das hält ja kein Mensch aus. 

Am letzten Schlafplatz vor dem persischen Golf finde ich eine schöne Stelle in einem Flussbett. Sobald ich anhalte, Millionen von Fliegen. Fluchend schleife ich das schwere Rad durch den weichen Schotter das Flussbett runter. Keine Ahnung, ob ich da morgen wieder so leicht hochkomme. Irgendwie koche ich mir dann, umschwirrt wie ein Stück - na ihr wisst schon was - meinen Tee und esse ein paar Kekse - mein Abendessen. Die Fliegen sind wirklich so fürchterlich, dass ich dann einfach nur mit einem Tuch über dem Kopf dasitze, bis es endlich dunkel ist und diese Mistviecher das Weite suchen und das dauert noch eine geschlagene Stunde. Erst dann esse ich meinen Granatapfel und baue das Zelt auf. 

Hier gibt es jetzt auch noch von mir eine Beschreibung, wie ich mittlerweile mit meiner immer noch undichten Isomatte vorgehe: meistens wache ich nach ein paar Stunden auf, weil es einfach zu hart wird. Um die Matte dann aufzublasen, muss ich also mitten in der Nacht ca. 2-3x ein paar gymnastische Übungen ausführen, denn mein Zelt ist ja nur wenig breiter als die Matte. Wenn ich auf der Matte liege, kann ich sie natürlich auch nicht aufblasen. Also muss ich im Vierfüßlerstand über der Matte knien und irgendwie noch mit meinem Mund zum Aufblasventil kommen. Sieht bestimmt super aus! Aber dies wollte ich euch nicht vorenthalten, da habt zumindest ihr was zu lachen, während ich die blöde Matte verfluche. 

Zur Schlafplatzsuche ist noch zu sagen, dass ich hier auch immer meine Locus Map Pro verwende. Ich schaue um 15 Uhr die Gegend an, in die ich die nächste Stunde ungefähr komme. Wie sind da die Höhenlinien, ist das eher Flachland oder gibt es kleine Einschnitte in den Bergen, wo man sich gut dahinter verstecken kann? Leider klappt es nicht immer, denn oft befinden sich am Fuss der Berge die Ortschaften (denn da gibt es auch meistens Wasser) und viele der kleinen Orte sind in meiner App gar nicht drin. Aber oft haut es auch wunderbar hin und man findet tolle Plätze. 

Die letzte Etappe aus den Bergen raus ist wunderschön, ich stehe aufgrund der Fliegen so früh auf, dass die noch schlafen und bike noch vor Sonnenaufgang das letzte steile Stück auf 500 Höhenmeter hoch. Hier hat es schon eine ziemlich hohe Luftfeuchtigkeit, denn meine Radhandschuhe, die ich eigentlich zum Trocknen auf die Lenkerhörner gesteckt habe, sind feucht. Danach geht es in einem leichten Downhill, bei dem man nicht bremsen muss, in die Ebene hinunter. Ich komme mir dabei vor, wie in Afrika. Über dem Tal liegt noch leichter Nebel, die Tamariskenbäume sind nur schemenhaft zu erkennen und die Berge werden von der aufgehenden Sonne angestrahlt. Einfach ein toller Anblick!

Die Straße bis zur Hauptstraße, die von Bandar Abbas kommt, ist nochmal ein Genuss mit wenig Autos. Danach wird es wieder obergräßlich mit dem allseits bekannten Wüstenhighway und der hat nicht mal einen Seitenstreifen aufzuweisen. Heiß ist es ohne Ende und schwül noch dazu. Ich bin jetzt um 8.30 Uhr schon am zerfließen und kurz vor dem Hitzetod. Das kann ja noch heiter werden. Endlich bei Km-Stand 75 kommt die Abzweigung zum Fährhafen nach Qeshm. Dort angekommen, werde ich von einem freundlichen Herrn aus der Autoschlange gewunken und zum Kassenhäuschen gebeten. Ich soll doch bitte in diese klimagekühlte Oase mit reinkommen, mich setzen und das wunderbar eiskalte Wasser trinken! Am liebsten wäre ich dem um den Hals gefallen oder hätte ihn gerne gefragt, ob ich hier in dem wunderhübschen Häuschen mein Zelt aufbauen darf. Er will von meinem Pass eine Kopie machen (das braucht man hier immer, wenn man öffentliche Verkehrsmittel benutzt), ansonsten kostet die Fähre für mich nichts. Mittlerweile habe ich deren Wasserspender leergetrunken - kein Witz, denn ich wurde auch noch aufgefordert, doch meine Wasserflasche zu füllen. 
Als letztes Gefährt darf ich dann noch mit auf die Fähre und in 30 Minuten bin ich über den persischen Golf übergesetzt auf die Insel Qeshm. 

Meine Abenteuer dort, kann ich euch leider erst berichten, wenn ich in Dubai bin, denn hier habe ich nur die Möglichkeit den Hotspot des Unterkunftsbesitzers zu nutzen und den kann ich nicht ständig in Anspruch nehmen. Und noch ein Highlight gibt es zu vermelden: ich bin jetzt genau 2500 Kilometer durch Iran geradelt!

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