Freitag, 18. November 2016

Shiraz, die Stadt der Blumen und der Nachtigallen (20.10.-27.10.)

Am nächsten Morgen muss ich ohne Frühstück los, ich habe nur noch einen Apfel und einen Granatapfel. Gleich im ersten Ort Marvdasht, gehe ich zum Bäcker. Bäcker erkennt man immer daran, dass vor der Tür ein Metallgestell mit Metallgitter darüber liegt. Hier wird das heiße Brot zum Abkühlen draufgelegt und wenn es Sangak ist, fallen hier auch schon mal die ersten Steinchen in einen Sack unter dem Gestell. Ich will nur zwei der Lavash-Brote und der Bäcker schenkt sie mir. Brot ist einfach so billig, da lohnt es sich nicht, für zwei Brote abkassieren. Aber fotografieren will er sich mit mir zusammen lassen. Kein Problem und ich wiederum fotografiere ihn mit seinem Sohn und dem Bäckergehilfen.

Dann geht es leider auf einer ganz besonders grässlichen Straße die nächsten 30 km nach Shiraz. Es gibt nur diese Straße und in Marvdasht kommen Autobahn und Landstraße zusammen und so führt diese 6spurige Straße über die Berge nach Shiraz. Ein Polizist hält mich auf und erklärt mir, dass diese Strecke sehr gefährlich ist und ich soll nur immer schön weit rechts radeln. Wem sagt er das? Aber schon nett von ihm, oder?

Wieder mal 10 kg Abgasgestank eingeschnauft, aber Mittags radle ich nach Shiraz rein und in dem von mir anvisierten Hotel Anvari ist noch ein Zimmer frei. Hier werde ich eine Woche bleiben. 

Shiraz liegt auf 1570 Metern und hat ungefähr 1,5 Mio. Einwohner. Den Namen Shiraz kennt sicherlich jeder von euch. Bis heute gibt es hier ausgedehnte Weingärten, der Wein von Shiraz war früher im ganzen Land bekannt. Heute werden die Shiraz-Trauben gegessen und wir müssen den guten Tropfen aus Australien und Südafrika importieren, wo die Shiraztraube größtenteils wächst.

Die Stadt verfügte schon im Mittelalter über ein weit verzweigtes Netz von Qanaten (Wasserkanäle), die noch heute einige gepflegte Gärten bewässern. Außerdem ist sie die Stadt der Poesie, wurden doch zwei der klassischen Dichter Irans dort geboren: Sa´di und Hafis. Im Herzen der Shirazis leben sie noch heute und ihre Gräber sind beliebte Ausflugsziele. Die Bewohner gelten als besonders aufgeschlossen und gastfreundlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu dem bereits Erlebten noch eine Steigerung geben kann, aber wir werden sehen.

Schon in Esfahan habe ich von einem Deutschen gehört, der auch alleine mit dem Fahrrad unterwegs ist. Da ich wusste, dass er witzigerweise auch nach Dubai fährt, um sich dann in Thailand mit seiner Frau zu treffen, habe ich mich immer gefragt, ob ich ihn mal treffen werde. Als ich gestern im Hotel angekommen bin, stand im Treppenhaus ein Herrenrad mit einer deutschen Flagge. Am nächsten Morgen beim Frühstück spreche ich den einzigen Menschen, der allein ist und nach Radfahrer aussieht an, ob er Uwe aus Deutschland ist. Tatsächlich, er ist es, nur leider fährt er heute schon nach Bandar Lengeh weiter, um von dort nach Dubai überzusetzen. Das ist ein anderer Fährhafen, von dem aus man nach Dubai kommt. Aber zumindest tauschen wir beim Frühstück unsere Radreise-Erfahrungen aus. 

Nun bin ich schon am Überlegen, ob ich auch von Bandar Lengeh aus nach Dubai übersetze. Erstens dauert die Überfahrt nur 4 Stunden, da es ein Schnellkatamaran ist und zweitens kommt man direkt in Dubai an und nicht am anderen Hafen von dem aus ich nochmal ca. 50 km bis in die Stadt biken müsste. Eine Nacht drüber geschlafen und nun ist es beschlossen. Ich gehe gleich am nächsten Tag zum Iran Traveling Center im Homa-Hotel (sehr nobel) und kaufe mir das Ticket für das Schnellboot. Kostet eigentlich 110$, aber da ich ein bisschen jammere, wie teuer das ist, geht die nette Dame auf 100$ runter. Also werde ich am 16.11. Iran verlassen und nach Dubai fahren. 

Danach laufe ich zum Grab eines der größten persischen Dichters namens Hafis. Gelebt hat er von 1326-1390. Inmitten eines sehr schön angelegten Gartens steht der Pavillon, dessen runde Kuppel von 8 Säulen getragen wird. Darunter befindet sich der Grabstein aus Marmor, eines seiner Gedichte wurde dort eingraviert. Fast jeder Iraner besitzt sein Buch, den "Diwan". Seine Gedichte sprechen von Liebe, Wein und Genuss, oft werden Kleingeister und "Pfaffen" darin angeklagt. In den ersten Jahren nach der Revolution durften daher seine Werke nicht neu aufgelegt werden. Aber es war den Mullahs nicht möglich, Hafis dem persischen Volk "wegzunehmen". Die Menschen berühren ehrfürchtig den Sarg und streichen mit den Fingern über die Oberfläche. Die meisten können auch mindestens ein Gedicht von ihm auswendig rezitieren. Auch Goethe war ein Verehrer von Hafis´ Werken und hat ihn nachweislich beeinflusst. 

Für den Abend habe ich mir vorgenommen, den Heiligen Schrein von Shah Cheraq anzuschauen, der soll abends nämlich ganz besonders schön sein. Allerdings bekommt man am Eingang einen Tschador und die freundlichen Damen helfen einem auch beim Anlegen. Dann muss ich eine Weile warten und verstehe erst nicht warum. Es ist aber hier so, dass man die Touristen nicht einfach sich selbst überlässt. Man wird von einem freiwilligen Guide in Empfang genommen und durch die Anlage geführt. Wir, das sind 2 Frauen aus Hongkong, ein älteres Ehepaar aus Italien und ich. Zara heißt unser Guide und wird später abgelöst von Maryam. Sie erzählen uns beide einiges über diesen heiligen Schrein, in dem zwei Brüder des Imam Reza begraben sind. Zum Schrein selber dürfen allerdings nur Muslime. Aber das macht nichts, denn die große Anlage ist sowieso außen viel sehenswerter. Ganz besonders daran sind die beiden Kuppeln über den Schreinen, die nicht rund, sondern wie eine Birne geformt sind. 

Hier erfahren wir dann auch, dass die Kuppel das Symbol für den Kopf und die Minarette das Symbol für die zum Beten erhobenen Hände ist. Später gehe ich mit den beiden Italienern noch in deren Hotel, wo wir zuerst Tee trinken und sie mich dann noch zum Abendessen einladen. Also, ihr seht, nicht nur die Iraner bringen mir Gastfreundschaft entgegen. Wir tauschen noch Adressen aus und machen natürlich, wie sollte es anders sein, Fotos. So verbringe ich einen super lustigen und interessanten Abend mit Rosi und Ubaldo, die auch schon so manche tolle Reise durch die verschiedensten Winkel der Welt gemacht haben. 

Da die Provinz Fars und die Stadt Shiraz zu den geschichtsträchtigsten Regionen Irans gehört, gibt es entsprechend viel anzuschauen. 
Besonders beeindruckend ist die Stadtfestung Arg-e Karim Khan, erbaut im Jahr 1766. In der Regierungszeit von Karim Khan (1750-94) war Shiraz sogar die persische Hauptstadt. 

Aber auch die Vakil-Moschee (aus dem Jahr 1722 und zur selben Zeit errichtet wie der Basar), die Nasir ol-Molk-Moschee (erbaut im 19. Jahrhundert) und die Koranschule Madreseh-ye Khan sind einen Besuch Wert.

Es gibt auch einige besonders schöne persische Gärten, die noch immer durch Qanaten bewässert werden. Der schönste ist der Bagh-e Eram, zu dem ich mit dem Fahrrad fahre, da er außerhalb des Zentrums liegt.

Besonders angetan hat es mir in Shiraz natürlich wieder der Basar mit seinen unzähligen Gassen, in denen man leicht die Orientierung verlieren kann. Hier ist Treiben lassen die Devise, denn irgendwann trifft man schon wieder auf eine Hauptstraße. 

Preistechnisch ist hier wieder mal alles geboten, von einem Cay Darchin (Tee mit Zimt) für 3€ (sehr teuer für Iran) bis zu Sambuse (dreieckiges Blätterteig-Gebäck mit Kartoffeln gefüllt) für 25 cent. In den Touristenlokalen und -cafés langt man dann mit einem Service-Aufschlag zwischen 10 und 20% ganz schön zu. Wenn man will, kann man super günstig in den kleinen Brodelstuben essen. Sobald die Speisekarte in englisch zu finden ist, erhöhen sich die Preise ungemein. Ich hole mir an zwei Abenden ein halbes Hendl, dazu 5-6 Fladenbrote und eine riesen Schale Salat für 3€. 

Auch gibt es hier wieder Kinder, die einen um Geld anbetteln und überhaupt mehr Bettler, als ich bisher in ganz Iran gesehen habe. Das ist eben das, was der Tourismus mit sich bringt. Das ist mir immer ein totales Rätsel, warum Touristen Kindern immer Geld in die Hand drücken müssen. Die sollen lieber in die Schule gehen, als von den Eltern zum Betteln geschickt zu werden. 

Als ich mal wieder durch die Gassen streife, entdecke ich eine sehr schöne Moschee, die nicht mal etwas kostet. Nur einen Tschador bekommt man angelegt. 

Hier werde ich von einer Familie aufgegabelt und mit nach Hause zum Abendessen genommen. Die Frau des Hauses ist die neugierigste Person, der ich jemals begegnet bin. Sie packt erst mal meinen Rucksack aus und schaut, was da alles so drin ist und wieviel Geld ich in meinem Geldbeutel habe. Meine Handyfotos werden auch ungefragt durchforstet. Sowas habe ich nun auch noch nicht erlebt und nach anfänglichem Staunen, amüsiere ich mich doch köstlich darüber. 

Es gibt Granatapfel und Fruchtsaft zur Begrüßung. Ich glaube, dass diese Familie wirklich sehr arm ist, denn die Wohnung sieht dementsprechend heruntergekommen aus. Im Nebenzimmer befinden sich ungefähr 20 Vögel in Käfigen. Ob die damit handeln? Ich kann es nicht rausfinden, denn hier läuft alles nur in Farsi ab und das wird ziemlich zäh. Ich bekomme zwei Kacheln mit Versen von Hafis geschenkt, ich will das erst ablehnen, aber sie bestehen drauf. Oh je, noch mehr Gewicht!

Später gibt es dann Abendessen, bestehend aus Reis, Lavash-Brot und eine Sauce aus Grünzeug mit kleinen, braunen Bohnen (choreshte sabzi genannt). In meiner Schüssel schwimmt ein einziges kleines Fleischstückchen. Dazu gibt es leckeren Shirazi-Salat, das sind ganz kleingewürfelte Tomaten, Gurken und Zwiebeln in Zitronensaft. Ich lasse in meiner Sauce das Fleischstückchen drin, esse auch nicht alles auf und sage, dass ich schon total satt bin. Danach werde ich gefragt, wie ich in mein Hotel komme. Die Familie hat zwar ein Auto, aber das wird wohl nur für besondere Anlässe bewegt. Ich sage, dass ich mir ein Taxi nehmen werde. Aber hier in der Gegend (wir sind hier außerhalb von Shiraz), fährt nichts. Es ist ja auch schon dunkel, also fahren sie mich zumindest bis zu einem Taxistand. 
Zaide, die Neugierige :-) geht erst mal alleine zum Taxistand und fragt nach dem Preis zu meinem Hotel. Ich habe ihr schon mal 100.000 in die Hand gedrückt. Es kostet dann tatsächlich nur 70.000 (1,80 €). Ich glaube, der Taxler ist etwas angesäuert, als er sieht, dass eine Touristin zu ihm ins Auto steigt. Von mir hätte er sicherlich das Doppelte verlangt - ätsch, reingelegt!

Am letzten Tag bin ich mit Einkäufen (Wasser, Obst, Brot, Käse, Zahnpasta, Clopapier) beschäftigt und durch Zufall stolpere ich doch tatsächlich noch über die Atiq-Moschee, die ich schon die ganze Zeit gesucht, aber nicht gefunden habe. Sie hat sich hinter dem großen Gelände des Shah Cheraq-Schreins versteckt und ist absolut sehenswert. Erbaut wurde sie im 12./13. Jahrhundert auf dem Areal eines älteren Baus aus dem 9. Jahrhundert. Ein großer rechteckiger Bau in der Mitte des Hofes macht sie zu einer ganz außergewöhnlichen Sehenswürdigkeit. 

Hier möchte ich euch ein Gespräch zwischen mir und einem gut gekleideten Herrn auf den Straßen von Shiraz zum Besten geben:

Er: "Hello, where do you come from?
Ich: "I am from Germany"
Er: "Oh Germany, very nice country. Are you married?"
Ich: "Yes, why do you want to know?"
Er: "Because I want to marry a woman from Germany" - So einen Heiratsantrag bekommt nun auch nicht jeder :-)

Zum Abschluss gehe ich an meinem letzten Abend nochmal essen. Das Überschlagen meines Bargeldbestandes hat ergeben, dass ich mir das noch leisten kann. 

So geht es also am 27.10. wieder mit Sack und Pack auf die Straße und ich gehe meine letzte Etappe an. 

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